Nr. 158 – Korruption: Ein gemeinsames Vermächtnis

Titelblatt Afrika-Bulletin Nummer 158Dem Thema Korruption wird erst seit einigen Jahren die vertiefte Aufmerksamkeit der Wissenschaft zuteil, die – im Gegensatz zu den Medien – auch die lange bloss
vermutete Implikation von Wirtschaftskonzernen und selbst von Regierungen offen gelegt hat. Und zwar nicht als skandalöser Einzelfall, sondern relativ systematisch.
In diesem Heft wird gewissermassen das Crescendo dieses groben Missbrauches über die letzten fünfzig Jahre skizziert: Ägyptens belagerter Durchbruch zu einer unabhängigen Nutzung seiner Möglichkeiten in den 1950ern (Raphael Jenny) macht den Anfang dieser
skizzenhaften Chronologie, Ghana-Erfahrungen schliessen zeitlich an, beleuchten gleich beide Seiten der Medaille (Prof. George Hagan und Hans Buser) und münden in den Versuch, unseren Anteil an diesem «Falschgeld» zu erhellen. Seine Prägung zu ächten und justiziabel zu machen (Lucy Koechlin), bleibt eine der wichtigen Aufgaben des 21. Jahrhunderts. Wer einen Blick auf den Bericht einer Studiengruppe über die schweizerische Glencore AG in der Demokratischen Republik Kongo wirft, der Yvan Maillard Ardenti als Beispiel für seine Darstellung der gefährdetsten Einfallstore von Korruption dient, muss folgern, dass uns ein «nostra culpa», wie es Professor Hagan von afrikanischer Seite vornimmt, nicht schlecht anstehen würde.

Editorial
Susy Greuter

Kapital und Korruption
«Business as usual ?»
Dass der Norden in der Korrumpierung des Südens eine gewichtige Rolle spielt, ist nichts Neues. Dies wurde in früheren Jahrzehnten allenfalls in etwas andere Bezeichnungen gefasst, als eine Art Beschleuniger für die Exportwirtschaft, oder als notwendiges aber kleines Übel im Umgang mit Regierungsvertretern des Südens. Heute ist diese Korrumpierung nicht mehr akzeptabel, schreibt Lucy Koechlin.

Korruption und Schweizer Unternehmen in Afrika
Gegenmassnahmen sind im Sinne des Gewinnstrebens

Schweizer Unternehmen, die in Afrika tätig sind, werden sehr oft mit Korruption konfrontiert. Yvan Maillard Ardenti beschreibt mehrere Fälle, die Schweizer Unternehmen im afrikanischen Kontext betreffen. Er zeigt auf, wie Korruption in einem Unternehmen effizient bekämpft werden kann – was diesem durchaus zum finanziellen Vorteil gereicht. Es ist diese Ebene, auf der heute versucht wird, Unternehmen zur Korruptionsbekämpfung zu gewinnen.

Korruptionsversuche im grossen Stil
Die Dekolonisierung Ägyptens 1950 –1960

Die 1950er und frühen 1960er Jahre waren nicht nur vom Kalten Krieg geprägt, sondern auch vom Übergang von kolonialer zur neokolonialer Politik der Weltmächte. Das Instrumentarium zur weiteren Durchsetzung der Grossmachtinteressen mit neuen Mitteln war jedoch noch in der Versuchsphase und unstet, wie das Beispiel der endgültigen Dekolonisierung Ägyptens zeigt. Noch war – dank des Zögerns im Einsatz geheimdienstlicher und militärischer Mittel durch die Grossmächte – der Weg in die Blockfreiheit möglich. Raphael Jenny hat die Widerstände und Verlockungen sowie die entschlossene Politik der ägyptischen Staatsführung unter Gamal Nasser recherchiert.

«It always takes two to tango»
Beobachtungen eines «Old Coasters»

Die Anfänge der Korruption in Afrika standen in direktem Zusammenhang mit der Einführung der freien Marktwirtschaft in den ehemaligen Kolonien und insbesondere der Erschliessung neuer Märkte durch die Vereinigten Staaten. Galt es anfänglich ausschliesslich, Entscheidungsträger auf höchster Ebene zu beeinflussen, so erfasste die Korruption bald alle Bereiche der Gesellschaft und wurde zur Geissel, unter der viele Staaten leiden. Dies beobachtet Hans Buser, der die frühen Jahre von Ghanas Unabhängigkeit als Kaufmann miterlebte, in seinen Memoiren.

«A fish rots from its head»
Korruption als kulturelle Praxis in Verwaltung und Regierung
Der Austausch von Geschenken ist ein wichtiges Element in vielen afrikanischen Kulturen. George Panyin Hagan beleuchtet am Beispiel Ghanas, wie die Kultur gegenseitiger Geschenke in die Kolonialgesetzgebung Eingang fand und bis in die jüngste Zeit Verwaltungsabläufe und das öffentliche Leben im allgemeinen prägt.

Das Spiel mit dem Teufel
Musiker besingen die Korruption
In der populären Musik Afrikas thematisieren zahlreiche Lieder die Korruption. Eines der bekanntesten und eingängigsten Titel stammt vom Reggae-Star Alpha Blondy aus Côte d’Ivoire.

Literatur und Film. Besprechungen von Neuerscheinungen
Mit Beiträgen von Beatrice Felber, Pius Frey, Susy Greuter und Roberto Zaugg

Aktualität:
Ausstellung «Making Africa – A Continent of Contemporary Design»

In einer grossen Ausstellung rückt das Vitra Design Museum das zeitgenössische afrikanische Design in ein neues Licht.Noch bis zum 13. September 2015 zeigt sie anhand der Arbeiten von über 120 Künstlern und Designern, wie Design die wirtschaftlichen und politischen Veränderungen des Kontinents begleitet und fördert.