Nr. 164 – Eritrea – was steckt hinter dem Flüchtlingsstrom?

bulletin_164_coverKnapp zehntausend Eritreer und Eritreerinnen reichten 2015 ein Asylgesuch in der Schweiz ein. Eritrea wurde zum wichtigsten Herkunftsland für das hiesige Flüchtlingswesen. In Medien und Politik wird es als Paria gehandelt. Dies hat viel damit zu tun, dass der Staat, der hart für seine Selbstbestimmung gekämpft hat, eine starke Kontrolle ausübt – über seine Bürger wie auch über Information. Anfang Jahr bereiste eine Gruppe Schweizer Politikerinnen und Politiker das Land, um sich selbst ein Bild zu machen, und löste damit harsche Reaktionen aus. Eine differenzierende Diskussion über Eritrea scheint nicht möglich. Für uns ein Grund, einen Blick hinter die Kulissen zu versuchen.

Editorial
Susy Greuter

Foreign interests matter
Eritrea im Raster geopolitischer Interessenspolitik
Die Wahrnehmung Eritreas war schon immer geprägt durch die strategischen Interessen der globalen Mächte sowie durch die Bündnispolitik Äthiopiens, des starken Nachbarn, gegen den das Land vor 23 Jahren seine Unabhängigkeit erstritt. Das Afrika-Komitee hat den Befreiungskampf des eritreischen Volkes während vieler Jahre unterstützt und war voller Bewunderung für den Durchhaltewillen der Eritrean People’s Liberation Front (EPLF) im scheinbar aussichtslosen Kampf gegen die äthiopische Übermacht. Hans-Ulrich Stauffer hat damals die Front und die befreiten Gebiete besucht und über diese Erfahrung berichtet. Wie anderswo auch, sollte die Problematik einer Befreiungsbewegung an der Macht die Entwicklung der folgenden Jahre prägen, wie Barbara Müller ausführt.

Fakten, Bilder, Vorurteile
Die Schweiz und Eritrea
Mehr als 30 000 eritreische Staatsangehörige leben heute in der Schweiz. Sie sind in schweizerischen Städten und Dörfern nicht zu übersehen. Die überwiegende Zahl von ihnen hat in der Schweiz politisches Asyl erhalten, eine kleinere Zahl den fremdenpolizeilichen Status der «vorläufigen Aufnahme», welcher impliziert, dass eine Rückschiebung ins Herkunftsland vorerst nicht möglich ist. In Österreich sind erstaunlicherweise keine Eritreer gelandet. Was mag der Grund dazu sein? Von Hans-Ulrich Stauffer.

Eritrea nach 25 Jahren Unabhängigkeit
Eine persönliche Zeitreise

Im Frühsommer 2016 zur Unabhängigkeitsfeier eingeladen, bereiste Pablo Loosli Eritrea erneut. Vor über dreissig Jahren, in der Zeit des Unabhängigkeitskrieges, hat er dort als IKRK Delegierter die von Dürre und Krieg bedrohte Bevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgt. Nach der Unabhängigkeit war er im Redaktionsteam für die erste nationale Landkarte, die 1995 fertiggestellt und in Bern gedruckt wurde. In den Jahren 2000 und 2001 initiierte er Feldversuche zur Förderung der Tropfenbewässerung. Seit 2011 ist er Präsident der Aktion Lichtblick, einer Stiftung zur Förderung der Ophthalmologie in Eritrea.

Da gehen uns viele verloren …
Ein Gespräch mit Fana Asefaw

Fana Asefaw ist promovierte Kinderpsychiaterin eritreischer Herkunft. Ihre Eltern flohen in den 1980er Jahren vor der äthiopischen Repression der eritreischen Unabhängigkeitsbewegung und fanden in Deutschland Asyl. 2005 kam sie in die Schweiz, um im Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst in Zürich zu arbeiten. In der Überzeugung, dass die Perspektiven der Bevölkerung in Eritrea selber verbessert werden müssen, wurde sie bald Mitglied des Schweizerischen Unterstützungskomitees für Eritrea (SUKE). Wie dieses lehnt sie den gegenwärtigen Exodus aus Eritrea in die Schweiz als einen tragischen Irrtum ab, der viele junge Patienten in ihre Sprechstunde bringt und diesen oft sehr teuer zu stehen kommt. Susy Greuter sprach mit Fana Asefaw zwischen zwei Konsultationen.

Von Korsika nach Eritrea
Die Geschichte der Self-Reliance

Die Idee der Self-Reliance, also der wirtschaftlichen und politischen Eigenständigkeit, wird heute fast nur noch mit der Entwicklung in Eritrea verbunden. Doch diese Idee ist keine eritreische Erfindung, im Gegenteil: ihre Wurzeln reichen weit zurück. Hans Furrer zeichnet die Entwicklung der Idee von der Aufklärung über den Antikolonialismus bis in die jüngste Zeit nach.

Afrika in Kürze
Eine Übersicht über aktuelle Themen

Gertrud Baud und Susy Greuter

Literatur. Besprechungen von Neuerscheinungen
Mit Beiträgen von Elisa Fuchs und Caro van Leeuwen

Aktualität:
Image Afrique ’16 – Festival zeitgenössischer afrikanischer Fotografie (Basel, 1.-17.9.2016)

«Woher kommst Du?» Fotoausstellung des Schweizerischen Unterstützungskomitees für die Sahraouis (Basel, 5.-9.12.2016)