Nr. 170 – Literatur schreibt Geschichte neu

Das Afrika-Bulletin Nr. 140 vom November 2010 widmete sich dem Thema «Literatur und Zeitgeschehen» – es war die erste Ausgabe, die in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Afrikastudien Basel (ZASB) entstand. Nach inzwischen dreissig gemeinsamen Bulletins befasst sich die vorliegende Nummer erneut mit Literatur, diesmal spezifisch mit «Literatur und Geschichte». Aktuelle Interpretationen der Vergangenheit visieren immer auch die gegenwärtige und künftige Gestaltung des privaten und öffentlichen Lebens an. Im Zentrum stehen dieses Mal Autoren aus dem französischen und portugiesischen Sprachraum Afrikas. Nur schon dieses Auswahlkriterium ist ein Hinweis auf die in kolonialer Zeit geschaffenen Verhältnisse.

 

Editorial
Barbara Müller

Afrikanische Weltliteratur in deutscher Sprache
Es braucht engagierte Verlage
Im französischen und englischen Sprachraum kann ein Grossteil der Werke afrikanischer Autoren und Autorinnen in der Originalsprache gelesen werden. Doch wie erreicht Literatur aus Afrika deutschsprachige Leserinnen und Leser? Mit dieser Frage beschäftigt sich Chudi Bürgi, die in ihrem Beitrag auf die Bedeutung von Übersetzungen und das Engagement von Verlagen für die Literaturvermittlung eingeht..

Literatur als «prophetische Vision der Vergangenheit»
Wider eine zugeschriebene Geschichtslosigkeit
Isabelle Chariatte spannt in diesem Artikel einen weiten Bogen über die Entwicklung der afrikanischen Literatur seit ihren Anfängen. Sie konzentriert sich dabei auf die erhöhte Bedeutung, welche der Geschichte besonders bei frühen Autoren zukommt. Beispiele zieht sie vor allem aus der französischsprachigen Belletristik bei, denn der Begriff «afrikanische Literatur» bleibt eine wenig sensible Verallgemeinerung. Diese unterschlägt die kulturellen und sprachlichen Eigenarten in Afrika, sowie den individuellen Ausdruck der Schriftstellerinnen.

Patrice Nganang und die Geschichte Kameruns
Den engen Raum von Kolonisation und Post-Kolonisation verlassen
Als Schriftsteller, der sich einen Namen mit Büchern über das Leben von Menschen im heutigen Kamerun gemacht hat, beleuchtet Patrice Nganang in seinen letzten drei Romanen wichtige Kapitel der Geschichte des Landes. Er sieht seine Aufgabe als Schriftsteller auch darin, bei den Bürgern und Bürgerinnen seines Landes ein neues Bewusstsein zu schaffen, das eine Überwindung der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Missstände möglich macht. Elisa Fuchs sprach mit ihm über die Bedeutung der Geschichte für Gegenwart und Zukunft.

Literarische Aufarbeitung eines historischen Mythos
Ngungunyane – Antikolonialer Held oder erbarmungsloser Tyrann?
Der König des Gaza-Reichs im südlichen Mozambique setzte den Portugiesen heftigen Widerstand entgegen, als diese Ende des 19. Jahrhunderts angriffen. Während die Portugiesen, die Ngungunyane 1895 überwältigten, ihn als blutrünstigen Herrscher darstellten, überhöhte ihn die Frelimo nach der Unabhängigkeit als Widerstandskämpfer. Beides sind Mystifizierungen. Literatur gräbt tiefer. Elisa Fuchs schildert, wie Mia Couto und Ungulani Ba Ka Khosa in ihren Werken der Komplexität und den Widersprüchen der Geschichte nachgehen.

Afrika in Kürze
Eine Übersicht über aktuelle Themen

Getrud Baud, Susy Greuter und Barbara Müller

Streifblick auf das Verlagswesen in Afrika
Afrikanische Literatur für den heimischen Markt
In der Debatte über das Verlagswesen in Afrika erkennt der Schriftsteller Mohomodou Houssouba ein seit Langem unverändertes Bild: Bücher bekannter afrikanischer Autoren werden häufig im Westen herausgegeben und zu Preisen verkauft, die für die Mehrheit der potenziellen Leserinnen und Leser in Afrika unerschwinglich sind. Es ist ein seltsames Paradox, das die verschiedenen Akteure der Buchbranche regelmässig bewegt – Schriftstellerinnen, Herausgeber, Literaturkritikerinnen und Buchhändler. Erklärungsversuche beziehen sich zumeist auf die ‹objektiven› Faktoren, die dem Problem zugrunde liegen: das Fehlen von Verlagshäusern und Druckereien von internationalem Standard, hohe Analphabetismus-Raten, niedrige Kaufkraft, mangelnde Werbe- und Vertriebsstrukturen, unzureichend professionelle Literaturkritik und zu wenig vernetzte Buchhandlungen. Doch gibt diese Erklärung, obgleich einigermassen fundiert, die reale Situation des afrikanischen Buchsektors (noch) wieder?

Literatur und Musik. Besprechungen von Neuerscheinungen
Mit Beiträgen von Elisa Fuchs, Caro van Leeuwen und Pius Frey

Vortrag: (V-)erkanntes Eritrea. Erfolge und Rezepte
Hans-Ulrich Stauffer berichtet am 21. Juni 2018, 19:30 Uhr im BelleVue, Basel.